Wind und Regen können die Kästorfer Neujahrssänger nicht stoppen, das ist nur dem Corona-Virus gelungen, und selbst dem nur einmal. An diesem Silvestertag waren wieder fünf Jugendliche im Dorf unterwegs, um den Menschen die guten Wünsche zum Neujahrstag zu bringen: Gesundheit, langes Leben und die ewige Seligkeit zum Beispiel. Die meisten Haustüren wurden freudig geöffnet.
„Das war schon schade, dass voriges Jahr niemand kommen konnte“, erinnert sich Luise Janz an die Zwangspause wegen des harten Lockdowns. Sie freut sich, dass die Neujahrssänger wieder vorbei kommen. „Habt ihr schön gemacht“, lobt sie und stopft einen Geldschein in die Büchse. Im Hause Janz haben die Neujahrssänger nicht nur als Besucher Tradition. „Mein Enkel geht mit“, zeigt Luise Janz auf Arved Janz. Schon die dritte Generation der Familie, die den Brauch am Leben hält.
Früh am Morgen, um 7.30 Uhr, starten Michael und Lukas Niegsch, Miguel Di Stefano, Evan Völke und Arved Janz, Treffpunkt ist die Bäckerei Lüdde. An diesem Silvestertag gibt es ein paar besondere Regeln zu beachten – wegen Corona. Nicht nur dass alle fünf Sänger bereits geimpft sind, sie tragen auch durchgängig ihre FFP2-Masken. „Und wir gehen ja nicht in die Häuser“, sagt Arved Janz. „Wenn ich geklingelt habe, trete ich wieder zurück.“ Die Spendenbüchse hält er den jeweiligen Hausbewohnern am weit ausgestreckten Arm entgegen. „Es hat auch noch niemand gesagt, dass er wegen Corona die Tür nicht aufmacht.“
Nach knapp drei Stunden haben die Fünf etwa 100 Haushalte besucht. „Das ist ungefähr ein Drittel“, sagt Nils Engelhard, der sich seit sechs Jahren um die Organisation der Aktion kümmert. Und da zeigt Arveds Schrittzähler schon 9000 Schritte. Bis 18 Uhr klappern sie die Häuser ab, an der Grundschule ist die Tour dann beendet. Vor allem in den Einfamilienhaus-Siedlungen werden sie von vielen schon erwartet, „bei den Mehrfamilienhäusern ist es etwas schwieriger, die Leute kennen den Brauch vielleicht nicht so“, vermutet Michael Niegsch.
Bis auf Miguel Di Stefano wussten alle schon vorher, worauf sie sich einlassen: „Ich bin inzwischen das vierte Mal dabei“, lacht Lukas Niegsch, sein Bruder Michael kommt so wie die anderen beiden zum zweiten Mal mit. Kein Wunder, dass alle so textsicher sind bei den Versen mit den Neujahrswünschen, eher ein Sprechgesang als ein Lied. „Außerdem hat man nach dem 100. Mal Aufsagen den Text dann eh richtig drauf“, sagt Evan Völke.
Alle haben auch ihre Freunde gefragt, ob sie nicht mitmachen wollen, „aber es wird immer schwieriger, Leute zum Mitmachen zu finden“, stellt Engelhard bedauernd fest. Was ihn etwas verwundert, denn „die Scheine aus der Spendendose werden unter den Sängern aufgeteilt“. Das Hartgeld wird für ein Projekt im Dorf gespendet. „Was genau das dieses Mal sein wird, werde ich noch mit dem Bürgermeister klären“, sagt Engelhard.
Derweil ziehen die Sänger weiter mit ihren mannshohen glatt polierten Stöcken, schon von Generationen von Konfirmanden vor ihnen in Händen gehalten – ihr Weg ist noch lang.