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Regionalverband weiß nichts vom Aus für Schneppelmoor

GIFHORN.  Die Stadt hebt das Raumordnungsprogramm als Rechtsgrundlage für ihr Vorgehen hervor, sucht aber mit der zuständigen Behörde nicht nach Lösungen.

 

Wer durch die Kästorfer Waldsiedlung Schneppelmoor spaziert, fühlt sich hier und da an die Waldsiedlung Winkel vor 30, 40 Jahren erinnert. Doch während in Winkel immer mehr Villen im Grünen aus dem Boden gestampft werden, hat die Stadt den 50 Menschen im Wald bei Kästorf die Zwangsräumung verordnet.

 

Mehrfach beteuert das Rathaus auf Nachfrage Rechtmäßigkeit und Alternativlosigkeit des Vorgehens. Vor allem die übergeordnete Raumordnung lasse einen Kompromiss nicht zu, geschweige denn dauerhaftes Wohnen. Stadt-Sprecherin Annette Siemer teilte auf die Frage nach den Gründen für das Vorgehen der Stadt mit: „Das Vorgehen der Stadt ist nicht rigoros, sondern rechtlich notwendig. Für den Bereich gibt es keinen Bebauungsplan. Und es gibt keine rechtliche Möglichkeit, die illegal errichteten Häuser durch das Aufstellen eines Bebauungsplanes zu legalisieren. Dies ergibt sich aus dem Regionalen Raumordnungsprogramm. Dort ist der Bereich als Vorranggebiet „Sicherung und Sanierung von Altlasten“ festgelegt. Da jegliche Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung anzupassen ist, kann die Stadt dort kein Baugebiet entwickeln. Bauliche Nutzungen, auch solche, die im Außenbereich zulässig wären, sind unzulässig und können planungsrechtlich nicht ermöglicht oder abgesichert werden.“

Der Regionalverband schätzt die Situation anders ein.

 

Die Rundschau fragte beim zuständigen Regionalverband nach und erhielt von Sprecherin Gisela Noske eine weitaus weniger starre Einschätzung. Interessant vor allem: „Im Vorfeld hat es zu diesem Thema keinen Austausch mit der Stadtverwaltung gegeben. Der Regionalverband hatte von diesem Vorgang keine Kenntnis. Uns liegen keine Planungen vor, die den Standort Schneppelmoor zum Thema haben und es gibt bisher auch keine Anfrage der Stadt Gifhorn zu diesem Thema beim Regionalverband.“

 

Noske widerspricht zudem der Darstellung der Stadt, dass die Plansituation unabänderlich sei: „Das Raumordnungsprogramm 2008 legt unter anderem im Bereich der Merkelschen Gruben aufgrund der vorhandenen Altlasten ein Vorranggebiet »Sicherung und Sanierung von Altlasten« als Ziel der Raumordnung fest. Dies steht einer Entwicklung als Wohngebiet derzeit eindeutig entgegen. Sofern eine Altlastensanierung erfolgen würde, könnten die Festlegungen des RROP in diesem Punkt aktualisiert werden. Ob danach eine Wohnnutzung möglich würde, wäre zu prüfen.“ Fest steht: Die Sanierung läuft seit Jahrzehnten.

 

Gezielte Raumluftanalysen des Landkreises in Kästorfer Siedlungshäusern hatten ergeben, dass angenommene Belastungen mit Benzol und Toluol nicht nachweisbar sind. Jede Wohnung eines Rauchers sei stärker belastet, lautete damals das Fazit.

 

Interessant in diesem Zusammenhang: Im neuen Baugebiet Hohes Feld, dessen Grundstücke die stadteigene Gesellschaft GEG vermarktet, fand sich in einer Grundwasserprobe eine deutlich erhöhter Wert von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Zudem stellten die Prüfer Methan fest „im Bereich der unteren Explosionsgrenze“. Für Bauarbeiter gilt deswegen bei den laufenden Erschließungsarbeiten Rauchverbot.

 

Hürde Raumordnung? „Natürlich“ änderbar

 

Sprecherin Noske vom Regionalverband sagte auf Anfrage, dass die Darstellungen im Raumordnungsprogramm „natürlich“ änderbar seien, abhängig von Sachstand wie etwa einer erfolgten Altlastsanierung. „Ein aktueller Sachstand zu diesen Fragen liegt dem Regionalverband jedoch nicht vor.“

 

Einmal mehr wird deutlich, dass das Raumordnungsprogramm auf die Mithilfe der Kommunen wie der Stadt Gifhorn setzt. Noske: „Das Raumordnungsprogramm übernimmt nur die Flächen als Siedlungsfläche, die bereits in den Flächennutzungsplänen der Kommunen als solche dargestellt sind. Im Kästorfer Schneppelmoor hat die Stadt Gifhorn keine Wohnbaufläche in ihrem Flächennutzungsplan dargestellt und wie die Stadt Gifhorn erklärt, ist die dortige Wohnbebauung illegal errichtet.“

GF Rundschau 25.11.2021